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Coronavirus

Vereine, Sport, Veranstaltungen und Covid-19 - was gibt es Neues? (16.11.2020)

Der Sommer geht -Johnny Lockdown kommt. Aber, und das ist doch immerhin ein Trost: er kommt nicht allein, das bewährte Team von vereinsrecht.at begleitet ihn, und dann ist schon wieder alles halb so schlimm. Wir bieten Trost und Rat, auch wenn wir wissen: Ein Teil unserer Antwort könnte die Bevölkerung verunsichern (Thomas de Maiziére,17.11.2015 – man beachte das Datum! -, damals deutscher Innenminister).

 

Wie sieht die Vereinswelt nach der COVID-19-NotV aus?

Ab Dienstag gilt ja – anders als nach der bisherigen Schutzmaßnahmenverordnung – ein generelles Ausgehverbot mit bestimmten Ausnahmen. Daher braucht man nicht, wie zuletzt, auch noch Veranstaltungen zu untersagen, stattdessen bringt § 12 der Notsituationsverordnung (NotV) eine Sonderregel, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichszum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen nur für bestimmte Veranstaltungen zulässig ist. Wir nennen hier nur drei: Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz, unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen politischer Parteien sowie unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen juristischer Personen, wobei beide nur zulässig sind, wenn eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist. Ah ja, und für den Spitzensport, aber zu dem kommen wir später.

Über die patscherte Legistik in diesem Zusammenhang haben wir uns schon anlässlich der vorigen Verordnung lustig gemacht, dass müssen wir jetzt nicht wiederholen (wir leiden ja nicht unter Wiederholungszwang …). Und was heißt das nun für die Vereine? Wenn‘s wirklich dringend ist, und die Versammlung nicht virtuell abgehalten werden kann, dann darf man auch physisch zusammenkommen. Dass der Verein dabei Verantwortung für die Gesundheit seiner Mitglieder hat, ist klar, er wird also alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssen. Ein Tipp: Wenn nur ein Teil der Mitglieder virtuell mitmachen kann, und es weniger ums Diskutieren als um dringend notwendige Beschlüsse geht, kann man ja die virtuelle Beschlussfassung (oder Wahl) mit einer schriftlichen Abstimmung (per E-Mail und/oder Post) kombinieren oder ausschließlich die Form der schriftlichen (auch elektronischen) Beschlussfassung wählen. Für Details: in die Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung schauen.

Aber was heißt dringend (oder, laut Verordnung: „unaufschiebbar“)? Das sind wohl Beschlüsse oder Wahlen, deren Verschiebung nachteilige Folgen für den Verein hätte. Das können eine dringend notwendige Statutenänderung sein, ein Beschluss über die Gründung einer Tochtergesellschaft, „lebenswichtige“ Investitionen oder die anstehende Wahl des Leitungsorgans, damit der Verein weiter vertreten werden kann.

Das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz sieht zwar vor, dass eine Versammlung, an der mehr als 50 Personen teilnahmeberechtigt sind, bis Ende 2021 verschoben werden kann, sagt uns aber, wie auch die dazu ergangene Verordnung, nichts über eine Verlängerung ablaufender Funktionsperioden. (A propos: sowohl Gesetz wie auch Verordnung werden verlängert werden, ob bei dieser Gelegenheit Adaptierungen vorgenommen werden, wird man sehen. Wir bleiben jedenfalls am Ball! Virtuell, natürlich. Wir sind zwar Spitzenjuristen, aber keine Spitzensportler iSd § 13 der NotV.)

Wenn man also die NotV und die Corona-bezogenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen zusammenliest, kommt folgendes heraus:

  1. Nach dem Vereinsrecht haben physische Versammlungen Vorrang, sind aber durch die NotV auf Ausnahmsfälle eingeschränkt, und nur, wenn keine virtuelle möglich ist.
  2. Für die meisten Fälle (und für die vernünftigerweise Vorsichtigen) heißt das: virtuelle Versammlung.
  3. Geht auch die virtuelle nicht, dann kann man schriftlich abstimmen und wählen – also per Post, E-Mail oder unter Zuhilfenahme eines Online-Abstimmungstools, oder einer Kombination dieser Optionen.

Natürlich ist es blöd, wenn der Vereinsvorstand „abläuft“, und man keine Mitgliederversammlung zur Neuwahl zusammenbringt, Corona-bedingt. Das hat auch das Innenministerium erkannt, und einen Erlass gebastelt, der leider grob gesetzwidrig ist, weshalb sich unsere Neigungsgruppe „Scherz und Ernst in der Jurisprudenz“ auch darüber lustig machen musste. Das BMI hat dann irgendwie nachgebessert, aber naja. Wir mussten uns schon wieder lustig machen, diesmal mit einem Kommentar in der „Presse“. Den griffen dann die NEOS auf, und produzierten eine parlamentarische Anfrage ans BMI. Im Wesentlichen sagt der Erlass: Wenn ein Verein mitteilt, dass er seine Generalversammlung verschiebt, dann gilt das gleichzeitig als Wahlanzeige, die wiederum als Verlängerung der Funktionsperiode des Vorstands verstanden wird. Rechtlich Unsinn, aber wir sind Pragmatiker: damit ist der Vorstand zwar immer noch nicht gewählt, aber man bekommt wenigstens eine Eintragung im ZVR. Und wenn man die z. B. für die Bank braucht, dann kann man sich schon darauf einlassen. Aber immer im Bewusstsein, dass man einen Vorstand hat, der eigentlich nicht gewählt ist, man also keinenVorstand hat, und dass alles, was der dann tut, aus rechtlicher Sicht von eher dubioser Natur ist – oder, etwas juristischer ausgedrückt, schwebend unwirksam.

Ist wahrscheinlich gut gemeint, der Erlass. Aber wir wissen ja: „Es gibt sehr wenig böse Menschen und doch geschieht so viel Unheil in der Welt. Der größte Teil dieses Unheils kommt auf Rechnung der vielen, vielen guten Menschen, die weiter nichts als gute Menschen sind.“ (Johann Nestroy)

Versammlungen (Demos, Kundgebungen) nach dem Versammlungsgesetz sind auch erlaubt, da geht es ja (wie bei den Vereinen) um die Ausübung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts. Gemäß § 2 gilt dabei der Meter-Abstand und Maskenpflicht.

Manches mag Grund zum Kopfschütteln sein, aber noch lange nicht zum Verzweifeln. Und wenn Sie zwischendurch einmal verzweifeln, rügen Sie sich nicht dafür. Denn: „Le désespoir est une forme supérieure de la critique“ (Léo Ferré,La Solitude). (Also genaugenommen sagt er ja: Die Revolte – wie die Verzweiflung – ist eine höhere Form der Kritik.)

 

Sport, Veranstaltungen und die COVID-19-Notsituationsverordnung

Was hält uns in diesen Zeiten gesund? Neben Abstand, Maske und Händewaschen natürlich der Sport. Yoga vor dem Laptop ist eine Möglichkeit. Wir empfehlen Frischluft! Um – alleine und im Freien (!)Sport zu betreiben, darf sich trotz der ab 17. November geltenden Ausgangsbeschränkungen jeder außerhalb seiner eigenen vier Wände aufhalten. Der Mindestabstand von einem Meter gilt unverändert (außer gegenüber Personen, mit denen man im selben Haushalt lebt).

Für BreitensportlerInnen fällt jedenfalls bis 6.12.2020 jede Trainingsmöglichkeit in Sportstätten (indoor oder Outdoor) flach. Ausschließlich SpitzensportlerInnen (Profis, die den Sport als Beruf ausüben und/oder bereits an internationalen Wettkämpfen teilgenommen haben) deren BetreuerInnen und TrainerInnen sowie Medienvertreter dürfen weiterhin Sportstätten nutzen – zum Training und auch zum Wettkampf; für Mannschaftsportarten oder Kampfsportartenbraucht es dazu jedoch ein COVID-19-Präventionskonzept (und zwar schon beim Training und für jede Sportveranstaltung). Apropos Sportstätten: Flugfelder gelten laut der COVID-19-NotV als Sportstätten. Daher darf dort z.B. auch niemand joggen – außer SpitzensportlerInnen (fraglich ist, für wie viele Personen diese Sondervorschrift geschaffen wurde – viele können es nicht sein). Und à propos Sportveranstaltungen im Spitzensport: in der Halledürfen daran bis zu 100 und outdoor bis zu 200 SportlerInnen teilnehmen – TrainerInnen, BetreuerInnen und für die Durchführung der Sportveranstaltung erforderliche Personen kommen noch extra dazu, wobei deren Zahl nicht beschränkt ist. Medienvertreter werden in diese Höchstzahlen aber einzurechnen sein (mangels ausdrücklicher Ausnahmeregelung).

Alle anderen Sportveranstaltungen sind untersagt – das gilt auch für Trainingseinheiten im Freien außerhalb von Sportstätten. Der Veranstaltungsbegriff aller COVID-19-Rechtsgrundlagen ist breit definiert – demnach wäre schon die gemeinsame Verabredung zum Joggen eine Veranstaltung, die nun nicht stattfinden darf. Denn die Teilnahme an Veranstaltungen (und das damit verbundene Verlassen der eigenen vier Wände) ist auf wenige Anlässe beschränkt – weil Veranstaltungen auch nur in Ausnahmefällen mit vor Ort präsenten Teilnehmern stattfinden dürfen. Was nicht unaufschiebbar ist (und unaufschiebbar wird tatsächlich wenig sein) und nicht digital stattfinden kann, darf weiterhin stattfinden – wenn es sich um berufliche Zusammenkünfte, Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz, oder von Organen politischer Parteien oder juristischer Personen handelt. Auch unbedingt erforderliche Aus- und Fortbildungs- sowie Integrationsmaßnahmen dürfen stattfinden, wenn das online nicht möglich ist. Für die Religionsausübung ist nicht vorab zu prüfen, ob eine „Online-Ersatzmöglichkeit“ besteht. Das gilt auch für Begräbnisse, an denen höchstens 50 Personen teilnehmen dürfen. Für all diese Veranstaltungen gelten unverändert Mindestabstand und in geschlossenen Räumen Maskenpflicht.

Gestattet sind auch Proben und Vorführungen von Profis im Kunst- und Kulturbereich („zu beruflichen Zwecken“) – allerdings ohne Publikum (vor Ort) und nur, wenn ein COVID-19-Präventionskonzept ausgearbeitet und auch umgesetzt wird und ein COVID-19-Beauftragter bestellt wurde.

Diesmal verabschieden wir (Thomas Höhne, Gunther Gram) uns wie Sportler – nein, nicht mit „Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt“ (Rolf Rüssmann, Schalke 04), auch nicht mit „Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien!“ (Andi Möller, Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund, Schalke 04, hat den Ausspruch aber dementiert), jetzt wird eh nicht gereist, nicht einmal nach Italien. Nein, sondern mit: „Ich brauche nur dieses eine Wort zu sagen: herzlichen Dank!“ (Horst Hrubesch, HSV, Borussia Dortmund).