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Arbeitsrecht

Können angesammelte Urlaubstage verjähren? (7.10.2020)

Nicht nur hierzulande kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen über die Ansammlung und den Verfall oder die Verjährung von Urlaubstagen. Das deutsche Bundesarbeitsgericht hat nun dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Verjährung des Urlaubsanspruchs mit der Arbeitszeitrichtlinie und der Grundrechtecharta vereinbar ist. Welche Auswirkungen könnte die Entscheidung des EuGH auf die österreichische Rechtslage haben?

 

Deutschland: „Mitwirkungsobliegenheit“ des Dienstgebers beim Urlaubsverbrauch

In Deutschland muss Urlaub grundsätzlich im Jahr seines Entstehens konsumiert werden. Ist das aus Gründen, die nicht beim Arbeitnehmer liegen – etwa aufgrund des Arbeitsanfalls – nicht möglich, kann der Urlaubsanspruch in das nächste Urlaubsjahr mitgenommen werden. Eine Arbeitnehmerin war in dieser Situation. Sie hatte Anspruch auf 24 Urlaubstage pro Arbeitsjahr. Ihr Arbeitgeber bestätigte ihr, dass ihr bereits in den Vorjahren entstandener Urlaubsanspruch aus den Vorjahren nicht verfallen würde, da sie ihren Urlaub aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens nicht antreten konnte.

Die Abgeltung der 101 offenen Urlaubstage, die bis zum Ende des Dienstverhältnisses angefallen waren, musste sie aber einklagen. Ihr Arbeitgeber wandte ein, dass der Urlaubsanspruch verfallen sei, aber auch der dreijährigen Verjährungsfrist unterliege und der Urlaubsanspruch damit bereits zum Großteil verjährt sei.

Im Unterschied zum Verfall geht bei Verjährung nur das Klagerecht unter. Die Forderung besteht aber weiter (und kann daher auch bezahlt werden). Bei Verfall des Anspruchs geht jedoch das Recht als solches unter. Wer eine verfallene Forderung bezahlt, kann die Rückzahlung verlangen.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf folgte der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach der Urlaubsanspruch bzw. eine finanzielle Abgeltung für nicht konsumierten Urlaub, wenn der Dienstnehmer aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen den Urlaub nicht konsumieren konnte, nur dann verfällt, wenn der Dienstgeber seine „Mitwirkungsobliegenheiten“ erfüllt. Diese Mitwirkungsobliegenheit sieht vor, dass der Dienstgeber den Dienstnehmer aktiv in die Lage versetzen muss, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Der Urlaub würde daher nur dann verfallen, wenn der Dienstnehmer den Urlaub trotz expliziter Aufforderung durch den Dienstgeber nicht angetreten hat. Dementsprechend lag im zugrundeliegenden Fall kein Verfall vor.

Dieser Ansicht folgte auch das BAG und bestätigte, dass die Ansprüche nicht verfallen waren, weil der Dienstgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen war. Das BAG hat aber auch Zweifel, ob eine Verjährung von Urlaubsansprüchen möglich ist, wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer nicht explizit darauf aufmerksam macht und leitete ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH ein. Konkret hat der EuGH nun zu prüfen, ob eine Verjährung von Urlaubsansprüchen nach deutschem Recht (§§ 194 und 195 BGB) mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie und Art. 31 Abs. 2 der Grundrechtecharta vereinbar ist, die jedem Arbeitnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub von zumindest vier Wochen sichern.

 

Wie ist die Rechtslage in Österreich?

  • 4 Abs 1 des österreichischen Urlaubsgesetzes (UrlG) sieht zwar vor, dass der Urlaubsanspruch grundsätzlich in dem Jahr zu verbrauchen ist, in dem er entstanden ist, eine Ansammlung von Urlaubstagen ist jedoch zulässig. Gemäß § 4 Abs 5 UrlG verjährt der Urlaubsanspruch erst nach zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Verfallsbestimmungen enthält das UrlG nicht. Dienstnehmer haben also insgesamt drei Jahre Zeit, ihren Urlaub zu verbrauchen. Konsumierte Urlaubstage werden immer vom ältesten offenen Urlaub abgezogen.

Eine „Mitwirkungsobliegenheit“ des Dienstgebers am Urlaubsverbrauch des Dienstnehmers wie nach deutschem Recht gibt es in Österreich nicht. Dienstnehmer haben daher grundsätzlich selbst darauf zu achten, dass ihr Urlaubsanspruch nicht verjährt – dafür aber eben auch drei Jahre Zeit.

Sollte jedoch, wie im oben beschriebenen deutschen Fall, der Dienstgeber eine Erklärung abgeben, mit der er den Urlaubsanspruch des Dienstnehmers ausdrücklich anerkennt, wird die Verjährung unterbrochen. Das bedeutet, dass der Lauf der Verjährungsfrist nicht fortgesetzt wird, sondern nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes, also der Anerkennung des Dienstgebers, neu zu laufen beginnt.

Welche Auswirkungen könnte daher eine Entscheidung des EuGH, dass eine Verjährung von Urlaubsansprüchen dem Unionsrecht entgegensteht, haben? Im Extremfall wäre die Verjährung von Urlaubsansprüchen gar nicht mehr möglich. Das würde bedeuten, dass Dienstnehmer ihren Urlaub über mehrere Jahre ohne die Gefahr der Verjährung ansammeln könnten. Dies wiederum könnte Dienstgeber, konkret etwa im Fall der Abgeltung von nicht verbrauchtem Urlaub bei Kündigungen, vor einige Probleme bzw. Kosten stellen.

Denkbar wäre auch, dass der EuGH als Voraussetzung für die Verjährung eine ähnliche Mitwirkungsobliegenheit des Dienstgebers vorsieht, wie dies auch in Deutschland der Fall ist. Dies könnte etwa bedeuten, dass Dienstgeber Dienstnehmer über die Konsumation des Urlaubs belehren müssen, damit die Verjährung eintreten kann.

 

Für Näheres zum Urlaubsverbrauch oder bei sonstigen Fragen zum Arbeitsrecht steht Ihnen das h-i-p-Arbeitsrechtsteam (Georg Streit und Nikolaus Sauerschnig) gerne zur Verfügung.

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