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Streik: der rechtliche Rahmen

Streik: der rechtliche Rahmen.

Das Recht auf Streik ist grundrechtlich gesichert. Den individuellen Arbeitsvertrag bricht die Arbeitskraft durch Niederlegung ihrer Arbeit, um an einem Streik teilzunehmen, dennoch. Ein Überblick über die wichtigsten rechtlichen Eckpunkte des Streiks als kollektive Maßnahme und seine Rechtsfolgen:

 

Auf einfachgesetzlicher Ebene gibt es in Österreich kein subjektives Recht auf Streik. Jedoch ist das Streikrecht unmittelbar und untrennbar mit der in Art 11 EMRK geregelten Koalitionsfreiheit verbunden. Die Koalitionsfreiheit sichert das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Gewerkschaften zu gründen und sich diesen anzuschließen. Der EGMR hat in seiner Judikatur aus diesem Recht auch ein subjektives Recht auf Streik ableitet. Dass sich das Streikrecht aus den Grundrechten ergibt, ist daher – inzwischen – unumstritten.

Ein Streik ist die geplante gleichzeitige Verweigerung der Arbeit durch eine Gruppe von Arbeitnehmer*innen. Die Anzahl der Streikenden kann variieren und hängt maßgeblich vom Ziel des Streiks und von der jeweiligen Branche ab. Maßstab sollte hierbei sein, dass gerade so viele Arbeitskräfte wie nötig und so wenige wie möglich ihre Arbeit niederlegen, um das (durch den Streik) angestrebte Ziel erreichen zu können (das in der Vereitelung von Arbeitgebermaßnahmen oder der Erreichung eines bestimmten Zwecks, z.B. Gehalterhöhungen liegen kann).

Auf innerstaatlicher Ebene hat sich die Trennungstheorie entwickelt, nach der die Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit des Streiks als kollektive Maßnahme unabhängig davon zu beurteilen ist, dass die einzelne Arbeitskraft durch die Niederlegung der Arbeit zur Teilnahme an einem Streik ihren Arbeitsvertrag – immer – verletzt.

 

Der rechtmäßige Streik:

Ein Streik kann entweder durch die Mittel, die er anwendet, oder durch den Zweck, den er verfolgt, rechtswidrig sein. Ein Streik, der zu dem Zweck geführt wird, den Unternehmer zu veranlassen, einen Arbeiter zu kündigen, ist widerrechtlich, da es sich dabei nicht um ein legitimes Ziel im Sinne der Verbesserung von allgemeinen Arbeitsbedingungen handelt. Grundsätzlich ist ein Streik solange rechtswidrig, solange sein Ziel auch mit gelinderen Mitteln erreicht werden kann.

Führt eine Gewerkschaft einen Streik um die Regelung von Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen, so besteht eine Vermutung dafür, dass dieser Streik rechtmäßig ist. Ein Streik zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen oder der Verhinderung der Verschlechterung derselben sowie ein Streik für den Abschluss eines Kollektivvertrags ist rechtmäßig, sofern er auch verhältnismäßig ist. Es gibt wenige Anhaltspunkte zur Verhältnismäßigkeit eines Streiks. Diese Frage muss ein Gericht für den Einzelfall prüfen und beantworten. Unverhältnismäßig ist ein Streik aber jedenfalls dann, wenn er nicht das gelindeste Mittel ist, z.B., wenn er ohne vorhergehende Verhandlungsversuche erfolgt.

 

Rechtsfolgen des Vertragsbruchs:

  1. Entgeltfortzahlung

Da die streikende Arbeitskraft nicht leistungsbereit ist und ihren Dienstvertrag bricht, verliert sie ihren Anspruch auf Entgelt. Das gilt auch dann, wenn der Streik als kollektive Maßnahme rechtmäßig ist, z.B., weil der Streik auf den Abschluss eines Kollektivvertrags zielt, was als rechtmäßiges Ziel eines Streiks anerkannt ist, zuvor geführte Verhandlungen gescheitert sind und der Streik somit als gelindestes Mittel verhältnismäßig ist.

  1. Entlassung

Bei der Teilnahme an einem rechtswidrigen Streit wäre als letzte Konsequenz auch die Entlassung der streikenden Arbeitskraft denkbar. In den meisten Fällen verzichten Arbeitgeber*innen aber schon deshalb auf die Entlassung, da sonst ein (zumeist) erheblicher Teil der Mitarbeitenden mit einem Schlag verloren ginge.

  1. Schadenersatzanspruch der Arbeitgeber*innen

Ob ein Anspruch der Arbeitgeber*innen auf Schadenersatz besteht, hängt von der Rechtmäßigkeit der kollektiven Maßnahme ab. Ist der Streik als Mittel des Arbeitskampfs – z.B., um den Abschluss eines Kollektivvertrags zu erzwingen – rechtmäßig, so kommt ein Schadenersatzanspruch der Arbeitgeber*innen nicht in Frage.

 

Ist der Streik als kollektive Maßnahme jedoch rechtswidrig, so kommt die Haftung der Organisation des Arbeitskampfs, die den Streik initiiert hat, in Betracht.

Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass im Fall eines auf kollektiver Ebene rechtswidrigen Streiks sogar eine Haftung einzelner streikender Arbeitnehmer*innen zumindest anteilig zu bejahen ist. Relevante Rechtsprechung und somit Fälle aus der Praxis gibt es dazu jedoch keine.

Bei einem unrechtmäßigen Streik ist der Anspruch der Arbeitgeber*innen auf Unterlassung des Streiks und Beseitigung der Streikfolgen – neben dem Ersatz des entstandenen Schadens – denkbar.

Achtung: Ein sogenannter „wilder Streik“, also einer, der nicht durch eine Gewerkschaft organisiert ist, kann – bei Vorliegen eines Verschuldens – zur gesamtschuldnerischen Schadenersatzpflicht der Streikenden führen. D.h., Geschädigte können von einer streikenden Arbeitskraft den Ersatz des gesamten Schadens verlangen, weil jede Arbeitskraft „Gesamtschuldnerin“ ist, also für den gesamten Schaden haftet.

 

Tipps für Arbeitnehmer*innen:

In vielen Fällen erfolgt eine finanzielle Streikunterstützung durch die Gewerkschaft. Wenden Sie sich an Ihre Gewerkschaft!

Wenn Sie nicht am Streik teilnehmen möchten und arbeitsbereit sind, sollten Sie dies ihren Arbeitgeber*innen mitteilen, um nicht Gefahr zu laufen, im Extremfall Ihren Entgeltanspruch zu verlieren.

 

Tipps für Arbeitgeber*innen:

Haben Ihre Mitarbeitenden aufgrund einer Teilnahme am Streik keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sollten Sie die Streikenden bei der Sozialversicherung abmelden. Nach Beendigung des Streiks nicht auf die Wiederanmeldung vergessen!

Wenn Arbeitgeber*innen die Arbeitsleistung von leistungsbereiten Mitarbeitenden nicht entgegennehmen können, weil insgesamt zu wenige Arbeitskräfte anwesend sind, müssen sie die leistungsbereiten Arbeitskräfte darüber informieren. Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung besteht grundsätzlich zwar auch bei erfolgter Information der nicht streikenden und arbeitsbereiten Arbeitskräfte, dies ist jedoch umstritten. Im Einzelfall könnten Sie aber durch die Information den Entgeltanspruch einzelner Arbeitskräfte verhindern.

 

Sollten Sie Fragen dazu haben, stehen Ihnen Mag. Georg Streit (georg.streit@h-i-p.at) und Mag.a Iris Reiß (iris.reiss@h-i-p.at) zur Verfügung.