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Der Weg zum eigenen Solarstrom für Wohnungseigentümer (30.8.2022)

Nicht nur die Strompreise steigen – auch der Wunsch, im eigenen Bereich zum Klimaschutz beizutragen. Was kann man tun? Zum Beispiel eigenen Solarstrom produzieren! Eine Fantasie, die mittlerweile auch viele Wohnungseigentümer haben. Aber es muss nicht bei der Fantasie bleiben.

Will ein Wohnungseigentümer eine Photovoltaik- oder Solarstromanlage errichten, besteht einerseits die Möglichkeit, diese als Gemeinschaftsanlage auszugestalten und andererseits, diese nur für das einzelne Wohnungseigentumsobjekt nutzbar zu machen.

 

Errichtung der Photovoltaikanlage als Gemeinschaftsanlage

Die Errichtung einer Photovoltaikanlage am Dach des Gebäudes stellt eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dar. Ihre Durchführung setzt die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer voraus.

Seit Inkrafttreten der WEG-Novelle 2022 am 1.1.2022 gelten geänderte Beschlussfassungsmodalitäten. Demnach ist die Mehrheit erreicht, wenn entweder

-die Mehrheit aller Miteigentumsanteile (wie bisher also mehr als 50 % der Miteigentumsanteile) oder

-die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, sofern diese zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreichen,

der Maßnahme zugestimmt haben. Die Berechnung erfolgt in beiden Fällen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile.

Durch die geänderte Beschlussfassungsmodalitäten soll verhindert werden, dass klimafreundliche Maßnahmen, wie etwa die Errichtung einer Photovoltaikanlage am Dach eines im Wohnungseigentum stehenden Hauses, nur aufgrund der Passivität einiger Wohnungseigentümer nicht zustande kommen.

Sollte die geplante Änderung trotz der erleichterten Modalitäten nicht die Zustimmung der Wohnungseigentümer im geforderten Ausmaß finden, besteht keine Möglichkeit, eine Ersatzzustimmung durch den Außerstreitrichter zu erwirken. Die Maßnahme könnte daher nicht realisiert werden.

 

Errichtung der Photovoltaikanlage für die ausschließliche Nutzung durch einen Wohnungseigentümer

Will hingegen ein einzelner Wohnungseigentümer eine Photovoltaikanlage für seine alleinige Nutzung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft (insbesondere am Dach) montieren, muss er vor deren Errichtung die aktive Zustimmung sämtlicher Miteigentümer einholen.

Die übrigen Wohnungseigentümer können die Zustimmung nicht verweigern bzw. könnte der änderungswillige Wohnungseigentümer die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht beantragen, wenn die Anbringung der Photovoltaikanlage

-weder schutzwürdige Interessen der übrigen Wohnungseigentümer noch das äußere Erscheinungsbild des Hauses beeinträchtigt,

-keine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen bewirkt und

-der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dient.

Bis dato musste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) erst einmal mit der Frage befassen, ob die Zustimmung des Außerstreitrichters zur Anbringung einer Photovoltaikanlage zu erteilen ist. Im konkreten Fall (5 Ob 137/21i) hat der OGH die Zustimmung mit der Begründung verweigert, dass die Antragstellerin einen Großteil der Dachfläche für die von ihr ausschließlich zu nützende Photovoltaikanlage beanspruchen wollte und damit keine adäquate Fläche für die Photovoltaikanlage der übrigen Wohnungseigentümer verblieben wäre. Die geplante Maßnahme hätte daher die schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer wesentlich beeinträchtigt.

Vom OGH in dieser Entscheidung unbeantwortet geblieben sind daher die Fragen, ob die Errichtung einer Photovoltaikanlage

-das äußere Erscheinungsbild des Hauses beeinträchtigt,

-einem wichtigen Interesse eines Wohnungseigentümers entspricht oder

-bereits verkehrsüblich ist.

Während die Frage der Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes stets eine Frage des Einzelfalls bleiben wird (schließlich ist das von der architektonischen Qualität des Hauses sowie der Sichtbarkeit der Photovoltaik-Anlage abhängig), ließen sich die Themen wichtiges „Interesse eines Wohnungseigentümers“ oder „Verkehrsüblichkeit“ abstrakt beantworten.

Da der Gesetzgeber es leider unterlassen hat, das wichtige Interesse oder die Verkehrsüblichkeit im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage zu definieren, bleibt es abzuwarten, ob der OGH diese Fragen zugunsten des änderungswilligen Wohnungseigentümers bejaht.

Beides sollte im Hinblick auf die allgemein gewünschte Energiewende sowie die Entwicklungen bei den Energiepreisen nur eine Frage der Zeit sein.

Eine gewisse Erleichterung hat der Gesetzgeber zumindest durch die im Zuge der WEG-Novelle 2022 neu eingeführte Privilegierung geschaffen, wonach bei einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer unterstellt wird, wenn der Änderungswillige diese von der geplanten Errichtung der Photovoltaikanlage schriftlich verständigt hat und die übrigen der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widersprechen.

 

Sollten Sie die Anbringung einer Photovoltaikanlage planen, unterstützt Sie unser Immobilienrechtsteam (markus.bulgarini@h-i-p.at und stefanie.veigl@h-i-p.at) gerne bei dessen Realisierung.