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Neues zur Insolvenzanmeldung (7.4.2020)

Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor, war der Schuldner bisher gemäß § 69 Abs 2 IO verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, jedenfalls aber innerhalb von 60 Tagen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind Zahlungsunfähigkeit und insolvenzrechtliche Überschuldung.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner mangels liquider Zahlungsmittel seine fälligen Schulden nicht bezahlen und sich die erforderlichen Zahlungsmittel auch nicht alsbald verschaffen kann. Eine insolvenzrechtliche Überschuldung, die im Wesentlichen lediglich für die GmbH, GmbH & Co KG, AG, Vereine und Verlassenschaften relevant ist, liegt vor, wenn die Schulden des Unternehmens größer sind als das Vermögen und eine negative Fortbestehungsprognose besteht. Die Pflicht zur Insolvenzantragsstellung trifft die organschaftlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder) dieser juristischen Personen.
Bereits mit dem 2. COVID-19-Gesetz, das seit 22.3.2020 in Kraft ist, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich die Frist zur Antragstellung auch bei einer Pandemie oder Epidemie von 60 auf 120 Tage verlängert, wenn diese (mit-)ursächlich für die Insolvenz war. Bereits vor dieser Klarstellung hatte der Schuldner bei Naturkatastrophen wie Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben oder ähnlichen Katastrophen vergleichbarer Tragweite 120 Tage Zeit, um einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei der Frist von 120 Tagen handelt es sich – wie bei der 60-Tages-Frist auch – um eine Maximalfrist, die dem Schuldner nur zusteht, wenn er ernsthaft Sanierungsbemühungen mit Aussicht auf Erfolg nachweist. Andernfalls hat der Schuldner den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sofort zu stellen. Die Fristverlängerung gilt im Übrigen nicht für Schuldner, die bereits vor der Corona-Krise materiell insolvent waren; für diese gilt die bisherige Rechtslage (Antragstellung ohne schuldhaftes Verzögern, jedenfalls innerhalb von 60 Tagen).
Mit dem 4. COVID-19-Gesetz, das seit 5.4.2020 in Kraft ist, ist eine weitere Änderung der Insolvenzordnung verbunden: Die Insolvenzantragspflicht des Schuldners bei einer zwischen 1.3.2020 und 30.6.2020 eingetretenen Überschuldung ist bis zum 30.6.2020 ausgesetzt. Auch Gläubiger können in diesem Zeitraum keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, wenn der Grund für die Insolvenz eine Überschuldung ist. Weitere Voraussetzungen bestehen für die Aussetzung der Antragspflicht bzw. des Antragsrechts nach dem Wortlaut des Gesetzes keine.

Achtung: Der aufgrund der COVID-19-Krise zahlungsunfähige Schuldner bleibt weiterhin verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen, wobei er dafür nunmehr 120 Tage Zeit hat, wenn ernsthafte und erfolgversprechende Sanierungsbemühungen erfolgen, die dann eben leider doch nicht zum gewünschten Erfolg führten.
Auch Schuldner, die bereits vor dem 1.3.2020 insolvenzrechtlich überschuldet waren, sind von dieser Änderung durch das 4. COVID-19-Gesetz nicht erfasst. Für sie gilt die bisherige Rechtslage.
Für den Fall, dass der Schuldner nach dem 30.6.2020 (weiterhin) überschuldet ist, hat er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen ab dem 30.6.2020 oder innerhalb von 120 Tagen nach dem Eintritt der Überschuldung, je nach dem, welcher Zeitraum später endet, zu beantragen.
Darüber hinaus enthält das 4. COVID-19-Gesetz auch haftungsrechtliche Erleichterungen: Das Gesetz ordnet an, dass zwischen 1.3.2020 und 30.6.2020 die an die Überschuldung anknüpfende Haftung gemäß § 84 Abs 3 Z 6 AktG von Vorstandsmitgliedern für Zahlungen, die nach dem Eintritt einer insolvenzrechtlichen Überschuldung geleistet wurden, entfällt. Das heißt, dass Vorstände einer Aktiengesellschaft nicht haften, wenn sie zwischen 1.3.2020 und 30.6.2020 trotz Überschuldung Zahlungen leisten. Dabei bezieht sich der Gesetzgeber allerdings nur auf das Aktiengesetz, ohne die Haftung von GmbH-Geschäftsführern explizit zu regeln. Diese sind allerdings bereits nach § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG erst dann zur Einstellung von Zahlungen verpflichtet, wenn sie verpflichtet sind, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Der OGH hat allerdings in seiner jüngeren Rechtsprechung ausgesprochen, dass das Zahlungsverbot auch bei einer GmbH analog der Parallelbestimmung des § 84 Abs 3 Z 6 AktG bereits ab Vorliegen der materiellen Insolvenz (und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Verpflichtung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens) besteht. Unklar ist daher, ob die Ausnahmebestimmung des 4. COVID-19-Gesetzes analog auch auf einen Haftungsausschluss für die Geschäftsführer einer GmbH anzuwenden ist.
Grundsätzlich haften Geschäftsführer Gläubigern für eine rechtswidrige Insolvenzverschleppung. Dabei ist zwischen der Haftung gegenüber sogenannten „Altgläubigern“ und „Neugläubigern“ zu unterscheiden. Altgläubiger sind solche, die bereits vor dem Zeitpunkt der Insolvenz Gläubiger der Gesellschaft waren. Diesen gegenüber haftet der Geschäftsführer für den sogenannten „Quotenschaden“. Der Quotenschaden ist der Nachteil, der den Gläubigern durch die verspätete Insolvenzeröffnung durch die Geschäftsführung und die damit verbundene geringere Quote, die Gläubiger erhalten, entsteht. Bei der Ermittlung des Quotenschadens ist daher die Quote des Altgläubigers, die dieser bei rechtzeitiger Insolvenzeröffnung erhalten hätte, mit der tatsächlich erzielten Quote zu vergleichen; Geschäftsführer haften für die Differenz persönlich. Neugläubigern gegenüber haftet der Geschäftsführer sogar für den sogenannten „Vertrauensschaden“. Das ist jener Nachteil, der gar nicht erst entstanden wäre, hätte der Gläubiger von der Insolvenz des Unternehmens gewusst. Denn in diesem Fall hätte er das betreffende Rechtsgeschäft mit dem insolventen Unternehmen nicht abgeschlossen.