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Corona als Grund für eine Minderung des Mietzinses und des Pachtzinses (letztes Update 5.5.2020)

1. Zum Mietvertrag

Die §§ 1104 und 1105 ABGB räumen dem Mieter im Fall der Unbrauchbarkeit oder nur eingeschränkten Brauchbarkeit des Mietgegenstands wegen „außerordentlicher Zufälle“, zu denen auch eine Seuche zählt, das Recht ein, den Mietzins je nach Einschränkung der Brauchbarkeit zu mindern – im Fall der gänzlichen Unbrauchbarkeit auch auf Null. Die Mietzinsminderung bezieht sich auf alle Bestandteile des Mietzinses, somit auch auf die Betriebskosten.

Aufgrund der rasanten Ausbreitung von COVID-19 haben Gesetzgeber und Regierung bereits am 16.3.2020 eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die die Brauchbarkeit eines Mietgegenstands erheblich beeinträchtigen können.

Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (diese finden Sie unter folgendem Link) sowie um die Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (diese finden Sie unter folgendem Link). Diese Verordnungen enthalten zum einen Betretungsverbote hinsichtlich bestimmter Betriebe und zum anderen Betretungsverbote hinsichtlich öffentlicher Orte, wobei der Inhalte dieser Verordnungen seit deren Inkrafttreten zum Teil gravierend abgeändert wurde. Mit 1.5.2020 ist dann die COVID-19-Lockerungsverordnung [Link] in Kraft getreten – Details hierzu finden Sie unter Punkt 2.

Wenn ein solches Betretungsverbot Auswirkungen auf die Brauchbarkeit des Mietgegenstands hat (maßgeblich ist der vereinbarte Mietzweck), dann trifft dieses Risiko als „außerordentlicher Zufall“ im Sinn des § 1104 ABGB den Vermieter. Ein Geschäftslokal, das kein Kunde mehr betreten darf, ist für den vereinbarten Mietzweck nicht mehr brauchbar. Ein Büro hingegen, das trotz der bis dato erlassenen Verbote nach wie vor für Mitarbeiter erreichbar ist (der Weg zur Arbeit ist zulässig, sofern am Arbeitsort ein Abstand von einem Meter eingehalten werden kann), wird weiterhin brauchbar sein.

Selbstverständlich muss das Ausmaß der Einschränkung im Einzelfall geprüft werden. Maßstab der Prüfung ist zum einen der vereinbarte Verwendungszweck und zum anderen dessen Beeinträchtigung durch die oben erwähnten Verordnungen. Da das „Hochfahren“ der Wirtschaft in Österreich eine permanente Anpassung der beiden Verordnungen erfordert, wird sich auch das Ausmaß des Mietzinsminderungsanspruchs entsprechend verändern.

 

2. Zur Entwicklung der Betretungsverbote

2.1  Zu den Betretungsverboten hinsichtlich bestimmter Betriebe

Bereits nach der Stammfassung der Verordnung war das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt. Von diesem Betretungsverbot waren bloß Einrichtungen, die der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen, wie etwa Apotheken, Supermärkte, Tankstellen, Banken und die Post, ausgenommen.

Seit dem 14.4.2020 ist der Ausnahmekatalog dahingehend erweitert, als nun auch KFZ- und Fahrradwerkstätten, Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte sowie Betriebsstätten, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, von Kunden wieder betreten werden dürfen.

Seit dem Inkrafttreten der Verordnung haben jedoch nicht bloß Lockerungen, sondern auch Verschärfungen für weitere Unternehmensbereiche stattgefunden. Etwa ist seit dem 4.4.2020 nunmehr auch das Betreten von Beherbergungsbetrieben untersagt. Dieses Verbot gilt jedoch nur dann, wenn die Beherbergung zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung dient. Weiterhin zulässig ist hingegen insbesondere die aus beruflichen Gründen erforderliche Beherbergung.

 

2.2  Zum Verbot des Betretens von öffentlichen Orten

Nach der ursprünglichen Fassung der Verordnung war das Betreten öffentlicher Orte bloß

  • – zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum;
  • – zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen;
  • – zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens;
  • – zur Berufsausübung;
  • – im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren

gestatten. Seit dem 14.4.2020 ist das Betreten öffentlicher Orte auch zur Erreichung der oben genannten, vom Betretungsverbot ausgenommenen Betriebe ausdrücklich zulässig.

 

2.3  Zur COVID-19-Lockerungsverordnung

Am 1.5.2020 ist die COVID-19-Lockerungsverordnung in Kraft getreten. Diese Verordnung hat die unter den Punkten 2.1 und 2.2 näher dargestellten Verordnungen abgelöst.

Im Zusammenhang mit den Mietzinsminderungsansprüchen sind insbesondere folgende Bestimmungen der COVID-19-Lockerungsverordnung erwähnenswert:

Seit 1.5.2020 ist das Betreten des Kundenbereiches sämtlicher Handels- und Dienstleistungsunternehmen wieder gestattet, wobei folgende Bedingungen einzuhalten sind:

  • – sowohl die Mitarbeiter als auch die Kunden müssen einen Mund- und Nasenschutz tragen
  • – ein Mindestabstand von einem Meter ist einzuhalten
  • – pro Kunde muss eine Fläche von 10 m2 zur Verfügung stehen.

Sollte ein Dienstleistungsunternehmen aufgrund seiner Tätigkeit den Mindestabstand und/oder das Tragen des Mund- und Nasenschutzes nicht einhalten können, ist die Öffnung für Kunden dennoch zulässig, wenn das Infektionsrisiko durch andere geeignete Maßnahmen minimiert werden kann. Was derartige geeignete Maßnahmen sind, lässt der Bundesminister freilich offen.

Nach wie vor unverändert ist sowohl das Betreten von Gastgewerbebetrieben (die Abholung von vorbereiteten Speisen und das Lieferservice ist hingegen gestattet) als auch das Betreten von Beherbergungsverboten zum Zwecke der Erholung und Freizeitgestaltung verboten.

Ferner hat der Bundesminister explizit klargestellt, dass das Betreten von Museen und Ausstellungen, Bibliotheken und Archiven sowie Freizeiteinrichtungen, wie etwa Vergnügungsparks, Bäder, Tierparks, Theater, Konzertsäle und -arenen, Kinos, Varietees und Kabaretts nicht gestattet ist.

Nach derzeitigem Stand ist die Lockerungsverordnung bis 30.6.2020 in Geltung. Medienberichten ist jedoch zu entnehmen, dass weitere Lockerungen, etwa im Zusammenhang mit dem Betreten von Gastgewerbebetrieben, bereits am 15.5.2020 in Kraft treten sollen.

 

3. Zur Zulässigkeit von vertraglich abweichenden Regelungen

Von der gesetzlichen Regelung, dass der Vermieter das Risiko von „außerordentlichen Zufällen“ trägt, können die Parteien im Mietvertrag einvernehmlich abgehen. Eine vertragliche Regelung ist in der Praxis eher selten, da diesen Extremfall die wenigsten Vermieter bedacht haben.

Selbst wenn sich jedoch im Mietvertrag eine solche Klausel findet, heißt dies noch nicht, dass diese auch gilt. Zum einen ist gemäß § 1106 ABGB eine allgemeine Risikoüberwälzung einschränkend auf Schäden wegen Feuer, Wasser und Unwetter auszulegen, zum anderen kann eine spezielle Risikoabwälzung sittenwidrig oder gröblich benachteiligend sein.

 

4. Zum Pachtvertrag

Für einen Pachtvertrag gilt bei gänzlicher Unbrauchbarkeit des Pachtgegenstands das zum Mietvertrag Ausgeführte. Bei nur teilweiser Unbrauchbarkeit steht hingegen ein Pachtzinsminderungsanspruch nur bei Pachtverträgen mit einer Dauer von höchstens einem Jahr zu. Darüber hinaus muss der Ertrag um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrags gesunken sein.

 

5. Zur Geltendmachung des Mietzinsminderungsanspruches

Dem Mieter stehen zwei Möglichkeiten zur Geltendmachung seines Mietzinsminderungsanspruches offen.

 

5.1 Mietzinszahlung unter Vorbehalt

Die vorsichtige Variante besteht darin, dem Vermieter gegenüber zu erklären, den Mietzins bis zum Ende der Gebrauchsbeeinträchtigung nur unter Vorbehalt zu leisten. Dies hat für den Mieter den Vorteil, dass er sich nicht dem Risiko einer Vertragsauflösung aussetzt, gleichzeitig jedoch den Nachteil, dass der Mieter ein Gerichtsverfahren anstrengen muss, um sein Geld zurück zu bekommen (Verjährungsfrist beträgt drei Jahre). Diese Variante wird man vor allem dann wählen, wenn man auf Grund der Bedeutung des Mietgegenstands für das Unternehmen oder der in den Mietgegenstand getätigten Investitionen kein Risiko eingehen will oder das Bestehen des Mietzinsminderungsanspruchs zweifelhaft ist.

 

5.2 Sofortige Aussetzung/Reduktion der Mietzinszahlung

Alternativ kann der Mieter den Mietzins im Ausmaß des Mietzinsminderungsanspruchs einbehalten.  Sollte der Vermieter den geltend gemachten Mietzinsminderungsanspruch nicht anerkennen, wird er – je nach seinem Interesse am Weiterbestehen des Mietverhältnisses – entweder nur den offenen Mietzins einklagen oder auch eine Räumungsklage einbringen.

Selbst wenn sich im Räumungsverfahren herausstellen sollte, dass die Mietzinsminderung dem Grunde oder der Höhe nach nicht berechtigt war, schützt auch in diesem Fall das Mietrechtsgesetz (MRG) den Mieter vor dem Verlust des Mietgegenstands, wenn den Mieter an der Nichtzahlung des Mietzinses kein grobes Verschulden trifft, der Mieter dies im Verfahren einwendet und der Mieter den vom Gericht festgesetzten Betrag rechtzeitig bezahlt. Ein grobes Verschulden des Mieters liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Mieter aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht den Mietzins einbehält. Eine vertretbare Ansicht zum Mietzinsminderungsanspruch wird daher nicht als grobes Verschulden zu qualifizieren sein. Rechtzeitig ist die Zahlung dann, wenn sie nach Festsetzung durch das Gericht, jedoch vor Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung erfolgt.

Außerhalb des Anwendungsbereichs des MRG (somit auch bei Pachtverträgen) besteht dieser Schutz nicht, sodass eine ungerechtfertigte Mietzinsminderung zum Verlust des Mietgegenstands führen wird.

Den Weg des Mietzinseinbehaltens sollte man daher jedenfalls erst nach anwaltlicher Beratung wählen.