So rät Margarethe Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Ein interessanter Rat, der sich erweitern lässt: Verschwenden Sie Ihre Zeit auch nicht mit Kommunikationsberaterinnen, Fitnesstrainern, Ernährungsberatern, Notarinnen, Physiotherapeuten, Ärztinnen, Psychotherapeuten, Steuerberatern, Apothekerinnen, Einrichtungsberatern, Wirtschaftsprüfern, Rauchfangkehrererinnen, Tierärztinnen, Uhrmachern, Yogainstruktorinnen, am besten: verschwenden Sie Ihre Zeit überhaupt nicht.
Aber so menschenfreundlich meinte das die Ministerin gar nicht. Sie stört, dass es Unternehmer gibt, die an der sachlichen Rechtfertigung von 400 m² als Kriterium dafür, welche Geschäfte aufsperren dürfen und welche nicht, zweifeln. Die Unternehmen sollten sich „mehr mit dem Blick auf Kunden“ auf die Zeit vorbereiten, in der auch sie aufsperren dürfen, „weniger mit dem Blick auf Anwälte“, so die Ministerin weiter im ORF-Interview am 16.4.2020.
Womit die Ministerin ihre Zeit verschwendet hat, als in ihrer Ausbildung „Demokratie und Rechtsstaat“ am Stundenplan stand, wissen wir nicht. Aber im Austausch für den guten Rat nimmt die Ministerin ja vielleicht auch von uns einen guten Rat entgegen: Denken Sie einmal über die Bedeutung von Auseinandersetzung und öffentlichem Diskurs für eine lebendige Demokratie nach, denken Sie vielleicht auch einmal darüber nach, welche Rolle Rechtsanwälte in einem Rechtsstaat spielen – in einem Rechtsstaat, der sich dadurch auszeichnet, dass die gesamte Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Und dass es daher nicht nur legitim, sondern für eine lebendige Demokratie essenziell ist, staatliches Handeln zu hinterfragen, und sei es auch vor den Höchstgerichten. Bertolt Brecht hatte zwar keine Ahnung von Digitalisierung, und für unseren Wirtschaftsstandort ist er auch nicht von besonderer Bedeutung, aber recht hat er trotzdem, als er sagte: „Es ist schon viel gewonnen, wenn nur einer aufsteht und nein sagt.“ Und da kann es schon sein, dass die Zeit, die man mit einem Anwalt verbringt, um sich fürs Nein-Sagen zu stärken, nicht verschwendet ist. Es kann auch sein, dass man mit dem Nein am Ende nicht Recht hat. Aber der Rechtsstaat muss und will immer wieder geprüft werden, auch das Handeln der Regierung und des Gesetzgebers. So ist das eben in dem großen Theaterstück, das man Demokratie nennt. Und Rechtsanwälte spielen in diesem Stück eine ziemlich wichtige Rolle.